Macbeth beim Hamburger Theaterfestival 2019

[vc_row][vc_column width=“2/3″][agni_image img_url=“5388″ img_link=“1″][vc_column_text]Foto: Oliver Masucci und Catrin Striebeck

Macbeth beim Hamburger Theaterfestival 2019
Wenn Catrin Striebeck und Oliver Masucci Shakespeare´s Macbeth als 2-Personen-Stück
geben, dann reise ich auch extra zur Premiere nach Hamburg zu den Theaterfestspielen
an.

Der berüchtigte, ehemalige Wiener Burgtheater-Direktor und Regisseur des Stücks
Matthias Hartmann sorgte mit der Unterbrechung des Stücks, weil einer der beiden
Mikroports nicht funktionierte, für einen Eklat. Die beiden Schauspieler reagierten auf die
technische Panne souverän. Die Unterbrechung hatte ganz andere Gründe.
Dieser Fauxpas des Regisseurs verschob den Fokus der bundesweiten Kritik, statt sich
auf das Wesentliche zu konzentrieren: Die Kunst. Und aufgrund dieser Verschiebung und
den dilettantischen Kommentaren auf www.nachtkritik.de fühlte ich mich bewogen,
Stellung zu dieser Inszenierung zu beziehen:

Ja, das war „mitreißendes Schauspielertheater“ – und zwar von Anfang bis Ende.
Regisseur Hartmann ist ein eigenes Thema.

Mir ist seine berufliche Historie völlig egal – Fakt ist, dass sein kreativer Anteil an dieser
Produktion sehr gering war. Dank seines Egos wurde er selbst Opfer der Hybris des
Macbeth – er unterbrach seine Premiere, um selber auf der Bühne zu stehen. Grotesk.
Zum Wesentlichen: John von Düffel ist ein kongeniales Exzerpt von Macbeth gelungen.
„Virginia Macbeth“ trifft es sehr gut. Die Interaktion zwischen Striebeck und Masucci riss
niemals ab. Sie blieben jeden Moment dem dramaturgischen Bogen Shakespeares
entsprechend in ihrer Rolle. Es ist nur Ihrer Routiniertheit und Grösse zu verdanken, dass
sie nach Hartmanns Fauxpas innerhalb von Sekunden in ihr Spiel zurückfanden. Von
„Großschauspielereitelkeit“ keine Spur, denn sonst hätten sie zurecht aufgehört zu
spielen.

Ich bitte doch die Dramaturgie des Stückes von den Schauspielern zu unterscheiden – die
Macbeths sind nicht die Schauspieler! Sie stellen sie nur dar. Die „Hysterie“ und der
„gestische Aktionismus“ (Till Briegleb) entsprechen den erzählten Umstanden des Stückes
und sind niemals ungefüllt. Und natürlich ist das Stück am Anfang und nach dem Trauma
des ersten Mordes trotzdem „wenig dynamisch“ (Annette Stiekele) – denn auch die
Figuren müssen den Mord verarbeiten, bevor sie „hilflos“ von ihrem Wahnsinn
davongetragen werden. Man muss Hartmann seinen Instinkt lassen, den stückinternen
dramaturgischen Wendepunkt für seinen Auftritt gewählt zu haben: Denn natürlich wurde
das Stück danach „konzentrierter“, weil das dramaturgische Level der Krise den Konflikt
weiter konzentriert.

Alle Gänge, Haltungen, Bewegungen, Gesten und Sprechweisen (mit oder ohne
Mikroport) von Catrin Striebeck und Oliver Masucci waren schauspielerisch mehr als
korrekt. Das sind zwei grosse Schauspieler, auf deren Schultern die Verantwortung für
dieses Stück lastete und die sie mit Bravour gestemmt haben. Ihre „psychologische
Rollenarbeit“ war in jedem einzelnen Wort zu erkennen. Das war das Werk der
Schauspieler – dass Regisseur Hartmann gänzlich unreflektiert ist, hat er ja unter Beweis
gestellt. Es war bei ihrer Körperlichkeit eben kein „Sprechkonzert“. Es war eine sehr
„präzise Komplexität“ der beiden Schauspieler. Till Briegleb – was hätten Sie denn auf
einer fast leeren Bühne noch reduziert sehen wollen? Oder wollten Sie Grossaufnahmen
auf Videoleinwand?

Man kann die Macbeths sicher anders, aber nicht besser spielen.
Die Bühne von Volker Hintermeier erfüllte nicht nur den Sparzwang, sondern auch „das
schwierigste, was es im Theater gibt, nämlich die präzise reduzierte Komplexität“ (Till
Biegleb). Dass Zwischengänge und Bewegungen hinter der Bühne sichtbar waren, ist
wiederum Hartmanns Zeitmangel anzulasten. Die Kostüme von Malte Lübben waren
modern, klassisch und zeitlos zugleich wie Shakespeare selbst. Die Musik von Karsten
Riedel war nicht nur eine perfekte Ergänzung, sondern eröffnete den Blick in eine weitere
Dimension.

Kampnagel ist nicht das Old Vic, nicht das Thalia oder das Deutsche Theater. Diese
Produktion ist zu vergleichen mit Off-Broadway. Und es war der beste Shakespeare, den
ich je live gesehen habe. Inklusive des Macbeth-Fluches, der Hartmann nun vollends
vernichtete.

@Jette: Wenn Du eine komplette, klassische Fassung möchtest, kauf Dir eine
kommentierte Ausgabe oder eine DVD. Die sind auch billiger.

@Anna: Das war die Theaterform der Shakespearschen Bühne. Es war Absicht, dass Du
geblendet wirst und den Tod nicht siehst. Denk mal darüber nach, warum. Die Artikulation
von Masucci war immer perfekt und so gewollt – und ich bin schon schwerhörig.

@Maria: Dass die Striebeck leise Töne kann, wissen wir alle. Ihre Lady Macbeth war nicht
durchgeschrien, sondern der perfekte modus operandi einer Lady Macbeth. Hat das
hängende Kleid etwa Deine Sensationslust nicht befriedigt?

Macbeth
Nach William Shakespeare, Bearbeitung und Übersetzung: John von Düffel
Konzept und Regie: Matthias Hartmann,
Bühne: Volker Hintermeier,
Kostüme: Malte Lübben,
Musik: Karsten Riedel.
Mit: Catrin Striebeck, Oliver Masucci.

Premiere am 31. Mai 2019
Dauer: 1 Stunde 15 Minuten, keine Pause[/vc_column_text][/vc_column][vc_column width=“1/3″][/vc_column][/vc_row]

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